Erwartungen an die neue Bundesregierung – Quo vadis Sachsen-Anhalt, quo vadis Ostdeutschland?
Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag, betont in der heutigen Landtagsdebatte um die wirtschaftliche Zukunft Ostdeutschlands:
„Vertrauen ist das Grundkapital von Politik – und die neue Bundesregierung hat ausgerechnet da die größte Baustelle. Allen voran: Der Kanzler selbst. Sein Ton, zu scharf. Seine Ankündigungen sind zu vollmundig. Zentrale Positionen im Wahlkampf sind unhaltbar. Seine Basta-Auftritte im Bundestag sind verheerend und ein Geschenk an die AfD. Im Windschatten der CDU-Wahlkampagne wurde sie noch stärker, das ist ein Warnsignal. Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Demagogen weiter erstarken. Nur eine Minderheit in der Bevölkerung hält Friedrich Merz für den richtigen Kanzler.
Die CDU hat sich unter ihm zur aggressiven Kampagnenpartei entwickelt – sie hat das Land gespalten statt Zukunft zu beschreiben. Es war auch die Landes-CDU, die diesen Kurs und den Kandidaten Merz mitgetragen haben. Der spalterische Ton, der Fokus auf politische Gegner, die Diffamierung von sozial Schwachen, all das hat die Risse im gesellschaftlichen Miteinander noch vertieft. Das hat Vertrauen verspielt. Die Leute wollen keinen deutschen Trump und ein „Rambo Zambo“ mag bei Stefan Raab witzig klingen, ist aber keine seriöse Lösung. Nicht nur die Bürgerinnen, auch die Koalitionsfraktionen stehen nicht hinter Friedrich Merz. Die Wahl zum Bundeskanzler war eine Blamage. Er schaffte, was keiner vor ihm schaffte: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik musste ein Kanzler zwei Anläufe nehmen.
In Sachsen-Anhalt ist die Angst vor Arbeitslosigkeit zurück. Der US-Chemiekonzern Dow erwägt in Sachsen-Anhalt und Sachsen Werke stillzulegen – eine Kaskade an Standortschließungen droht. Hunderte Arbeitsplätze betrifft das direkt, tausende Menschen darüber hinaus. Wer glaubt, der Osten sei nur Beifang im Koalitionsvertrag, unterschätzt die Dynamik: Eine zweite Deindustrialisierung im Osten wäre auch Staatsversagen. Noch vor einem Jahr schauten wir mit hohen Erwartungen auf US-Konzerne wie Intel. Wir haben wieder einmal gelernt, der Glaube versetzt eben keine Berge!
Der Osten spielt für die Union keine Rolle, die Verantwortung für den Ostdeutschland im Kabinett hat sie der SPD zugeschoben. Das ist ignorant und enttäuschend auch in der Binnenlogik der Union, denn immerhin haben viele CDUler im Osten auf Merz gesetzt. Die Verteilung im neuen Kabinett zeigt zudem deutlich, wo Stärke vorhanden ist. Glückwunsch an die SPD in MV und Thüringen. Mit ihren Vertretern in der Bundesregierung sind sie durchaus stark vertreten. Nun gut, Sachsen-Anhalt hat Tino Sorge als Staatssekretär. Wir wissen, er setzt aus seiner Sicht die richtigen Prioritäten, da ist ein Jagdschein eben wichtiger als eine Sitzung im Bundestag.
Nun die Bundesregierung zeigt bisher keine ostspezifische, keine regional bezogene und keine verlässliche sozialpolitische Agenda. Wenn Mieten und Preise weiter steigen, droht sich die Armut mitten in das Land zu fressen. Familie und Beruf dürfen kein Widerspruch sein. Friedrich Merz kann vom Osten lernen: Wir brauchen ein qualitativ gutes Kita-Netz, nicht Subventionen für Reiche, die sich Haushaltshilfen leisten. Das sind Alltagsbilder, die mit Köthen und Bitterfeld nichts gemein haben. Wir brauchen flächendeckende Kitas und nicht die steuerliche Vorteile zur Einstellung von Putzkräften. Zusammenhalt entsteht nicht über Debatten über Leitkultur. Er entsteht über geöffnete Bibliotheken, über erreichbare Krankenhäuser, über stabile Ticketpreise für Bus und Bahn. Zusammenhalt braucht eine Kommune, die sich die Jugendarbeit, das Geburtshaus und die Grünanlage leisten kann. Dafür braucht es mehr Steuer- und Mittelverteilung in die Kommune statt Steuergeschenken für Unternehmer und Superreiche.
Wir brauchen nicht die Marktradikalität zurück, die die Infrastruktur im Osten schon mehrfach platt gemacht hat. Unser Land braucht nachhaltige, solidarische Politik, die den Menschen echte Perspektiven bietet. Wenn die Merz-Regierung bereit ist, auf den Osten zu achten, ebenso auf den Ruhrpott zu schauen, nach Bremen und nach Bitterfeld, dann muss sie an einer sozialen Agenda mitarbeiten. Doch solange sie lieber Neiddebatten anzettelt als Zusammenhalt stiftet, werden wir sie unnachgiebig kritisieren und die sozialen Interessen der Menschen in Sachsen-Anhalt verteidigen.“
Magdeburg, 13. Mai 2025