„Letzte Generation“ ruft nach Verantwortung des Staates für eine lebensfähige Zukunft

In der aktuellen Debatte im Landtag um die Proteste der Letzten Generation betont die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Eva von Angern:

„Wer im Sommer Bahn gefahren ist, der hat gesehen, wie viele Leute ansonsten ausgeschlossen sind. In Straßen- und Regionalbahnen saßen Jugendliche, migrantische Familien und Rentner:innen. Das 9-Euro-Ticket war ein gigantisches Teilhabeprogramm. Ökologie und Demokratie kommen in diesem Fall zusammen. Hier in Sachsen-Anhalt hat die Verkehrsministerin Hüskens von der FDP schnell alles versucht, um das Nachfolge-Ticket möglichst zu beerdigen. Auch ein Tempolimit kommen für FDP, CDU und CSU und AfD nicht in Frage. Es ist doch interessant, wer aus diesem gesellschaftlichen Konflikt eine innenpolitische Bedrohungslage ableiten will. Die Parteien rufen nach der Polizei, die „Letzte Generation“ ruft nach der Verantwortung des Staates für eine lebensfähige Zukunft.

Wer mit Windräder zählen will, muss im Osten anfangen, denn in Bayern gibt es nichts mehr zum Zählen. Seit 50 Jahren liegen die Analysen und Vorschläge auf dem Tisch, aber eine Energiewende hin zu den Erneuerbaren, sicher und bezahlbar für alle, steht bekanntlich aus. Trotz der Erkenntnis, das Wachstum Grenzen hat und fossile Ressourcen endlich sind. Die Gaslieferungen aus Russland waren doch kein Freundschaftsprogramm deutscher Diplomatie, schon gar kein ostdeutsches, denn wir spielen ja im diplomatischen Korps der Bundesrepublik bekanntlich nicht so die Rolle. Die Abhängigkeit war zuvörderst eine bewusste Entscheidung der Großindustrie. Die Pipelines aus Russland gehen direkt zum Werk von BASF in Ludwigshafen am Rhein. Es geht um Kosten und um Nutzen.

Kohle und Öl bringen die Ökosysteme an den Abgrund, aber die Börse in Bewegung. Erst die Jugendbewegung um Greta Thunberg hat den industriegemachten Klimawandel wirklich zum Thema gemacht. Erst die Schulstreiks haben unsere Aufmerksamkeit erzwungen. Den Job der Regulierung, den die Politik verweigert, sollen also die Verbraucher:innen machen. Aber die haben eben nur die Wahl, und nicht die Macht. Wie also macht man weiter Druck für mehr Klimaschutz? Schulstreiks haben sich doch eher abgenutzt. In Sachsen-Anhalt herrscht Lehrkräftemangel, da fällt freitags der Unterricht sowieso schon aus. Man muss froh sein, wenn sich Jugendliche bei uns nicht an die Schulbank kleben, um sich den Unterricht zu ertrotzen.

Sitzblockaden sind vom Versammlungsrecht gedeckt. Nach dem Freispruch einer Klimaaktivistin in Berlin erklärte der zuständige Richter, jede Aktion gehöre differenziert beurteilt und eine binnen Minuten beendete Klebeblockade sei vom Demonstrationsrecht gedeckt. Die allermeisten Menschen in Sachsen-Anhalt wissen schon, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ Nadelstiche in einem ungleichen Kampf sind. Manche der Aktiven wirken so aufgewühlt, dass es einen betroffen macht. Gerade die Wahrnehmung eines Generationskonfliktes wirkt verstörend. Keine Gesellschaft schickt ihre Nachkommen willentlich ins Verderben. Um das zu diskutieren, muss man im Dialog bleiben können. Dieser Dialog ist augenscheinlich gestört.

Während die Klimaaktivisten einen in Zukunftsfragen handlungsfähigen Staat fordern, zweifelt eine ehemalige Bundestags-Abgeordnete der AfD daran, ob es diesen Staat überhaupt gibt. Die einen sitzen friedlich auf der Straße, die anderen trainieren für den bewaffneten Straßenkampf. Die Fraktion DIE LINKE kritisiert ein Steuer- und Erbschaftsrecht, das Reichtum und Armut auf Generationen fortschreibt. Wir fragen nach Umverteilung, auch zur Finanzierung einer sozialen Energiewende, aber die AfD fragt lieber nach dem Kassenzettel für Tomatensuppe und Sekundenkleber. Aber ginge es nach ihnen, würde gar kein Monet oder Raffael in einem deutschen Museum hängen, also sparen sie sich ihre falsche Empörung.“

 

Magdeburg, 14. Dezember 2022