Eva von Angern zu TOP 21: Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht mehr zeitgemäß und unbedingt reformbedürftig

Der Landtag der letzten Wahlperiode beschäftigte sich bereits intensiv mit der Frage, ob das Bestattungsgesetz LSA noch zeitgemäß ist bzw. welche Reformbedarfe bestehen. Ich darf an dieser Stelle erinnern an: den Antrag meiner Fraktion »Reform des Bestattungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt« und den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur »Änderung des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt«

Der Landtag der letzten Wahlperiode beschäftigte sich bereits intensiv mit der Frage, ob das Bestattungsgesetz LSA noch zeitgemäß ist bzw. welche Reformbedarfe bestehen. Ich darf an dieser Stelle erinnern an: den Antrag meiner Fraktion »Reform des Bestattungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt« und den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur »Änderung des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt«

Hierzu fand im März 2015 eine bemerkenswerte Anhörung hier im Plenarsaal statt, an deren Ende deutlich wurde:

Es waren nicht nur Änderungsbedarfe im Ansatz erkennbar, im Gegenteil, es wurde mehr als deutlich, dass auch ein gesellschaftlicher Wille, grundlegende Änderungen in unserer Bestattungskultur vornehmen zu wollen, vorhanden ist.

Wir alle sollten deshalb den Blick nicht davor verschließen, dass sich eben auch unsere Bestattungskultur in einem gesellschaftlichen Wandel befindet und neue Rechtsgrundlagen für neue Bedürfnisse erforderlich sind.

Doch bevor ich etwas näher auf die Anhörung eingehen möchte, lassen Sie mich noch einen Schritt zurückgehen. Und zwar In das Jahr 2014. Es war der 6. Februar 2014, als eine bulgarische Studentin in Halle erst vergewaltigt und in der Folge dann getötet und in die Saale geworfen wurde. Was sich dann in den Ermittlungen abspielte, kann man wahrlich nicht als Glanzleistung bezeichnen. Der zum Fundort der Leiche gerufene Notarzt stellte zwar fest, dass es sich um einen »Unnatürlichen Tod« handele, der allerdings auf Ertrinken und Herzinsuffizienz zurückzuführen sei. Die Tatsache, dass die junge Frau am Unterleib unbekleidet war, wurde durch die Staatsanwaltschaft zunächst mit der Strömung der Saale begründet.

Der Sachlage, dass die Identität der jungen Frau nicht herauszufinden war, hat sie es letztendlich zu verdanken, dass eine weitere, qualifizierte Leichenschau stattfand, welche hervorbrachte, dass ein Tötungsdelikt vorlag. Letzteres wurde jedoch erst vier Tage nach dem Fund der Leiche im rechtsmedizinischen Institut in Halle aufgedeckt. Vier wertvolle Tage Ermittlungsarbeit waren also bereits verstrichen. Das Dramatische an diesem Fall ist: der Täter wurde bis heute – trotz eines enormen Ermittlungsaufwandes – nicht gefunden.

Nun könnte man dem bisher Gesagten entgegenhalten, dass das doch lediglich ein Einzelfall sei.

Doch, meine Damen und Herren, wir haben Defizite, wir haben erhebliche Defizite, in der derzeitigen Praxis der Leichenschau in Sachsen-Anhalt. Dies bestätigte mir übrigens die Landesregierung schon im Jahr 2011 (nachzulesen in der Kleine Anfrage in der Drs. 6/400). Dabei sind die Defizite vor allem in der korrekten Feststellung der Todesart zu sehen.

Ganz konkret: es gibt Probleme bei der Einschätzung, ob es sich um eine natürliche, eine nichtnatürliche oder eine nicht aufgeklärte Todesart handelt. Bei der zweiten Leichenschau, die in Sachsen-Anhalt allerdings nur bei einer Feuerbestattung verpflichtend ist, stellten Rechtsmediziner bei ca. drei bis sieben Prozent eine falsch eingetragene Todesart fest.

Das heißt nicht zwangsläufig, dass diesen Fällen immer ein bis dahin unentdecktes Tötungsdelikt zugrunde liegt. Doch schon 2011 räumte die Landesregierung ein, dass zwischen 2001 und 2011 bei acht Verstorbenen in der zweiten Leichenschau Anzeichen für ein Tötungsdelikt festgestellt worden sind. Das Ausmaß dieses Problems, dieses Defizit, schlägt uns mit aller Wucht durch den durch mich am Anfang meiner Rede beschriebenen Fall, dem Fund der Leiche der jungen bulgarischen Studentin in Halle ins Gesicht. Hätte die zweite Leichenschau nicht stattgefunden, wie in Sachsen-Anhalt leider nur bei Feuerbestattungen praktiziert, wäre im Ergebnis ein Tötungsdelikt unerkannt geblieben.

Ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind, dass das ein unentdecktes Tötungsdelikt zu viel gewesen wäre! Und, meine Damen und Herren, das bedeutet eben auch, dass Vertrauen in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und damit auch in den Rechtsstaat verloren geht.

Und der Fall der bulgarischen Studentin ist leider kein Einzelfall: Immer wieder werden unnatürliche Todesursachen als natürliche klassifiziert, weil es den ÄrztInnen, die die Leichenschau vornehmen, an entsprechender Fachkenntnis mangelt. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Ich halte eine verpflichtende zweite Leichenschau auch bei Erdbestattungen für unverzichtbar und werbe darum, dass Sie diese noch in Ihren Alternativantrag aufnehmen.

Nun ist das aber nicht der einzige Punkt, welchen wir mit Ihnen hinsichtlich einer Reform des Bestattungsgesetzes diskutieren und hoffentlich auch ändern wollen. Sie greifen in Ihrem Alternativantrag bereits einige von uns vorgeschlagene Punkte auf:

  1. Auch wir wollen ausbeuterische Kinderarbeit verhindern.
  2. Wir begrüßen Ihr Ansinnen zum Umgang mit Sternenkindern! Auch wenn in Sachsen-Anhalt inzwischen fast flächendeckend sehr würdevolle und sensible Möglichkeiten der Bestattung von Sternenkindern geschaffen sind, ist dies doch allein auf sehr individuelle Initiativen von Kommunen, Kirchen, Vereinen und Krankenhäuser zurückzuführen. Nach derzeitiger Gesetzeslage in Sachsen-Anhalt ist aber noch immer die Entsorgung über den Krankenhausmüll möglich. Völlig indiskutabel!
  3. Und auch wir wollen eine interkulturelle Öffnung des Bestattungsgesetzes.

Gerade beim letzten Punkt, der interkulturellen Öffnung des Bestattungsgesetzes, ist mir sehr wichtig, aus der von mir bereits angesprochenen Anhörung zu zitieren: Der Vertreter der Katholischen Kirche, Her Rether, erklärte, dass es Auftrag des Gesetzgebers sei, berechtigte Interessen verschiedener Menschen zusammenzuführen – ein gerechter und menschenwürdiger Ausgleich zwischen Interessen des Verstorbenen, seiner Angehörigen und der Allgemeinheit.

Er sagte ganz klar, dass die Sargpflicht keine Glaubenswahrheit sei. Menschen müssen nicht im Sarg bestattet werden. Gleiches gelte für die Bestattungsfristen. Dem schlossen sich der Vertreter der evangelischen Kirche, Herr Steinhäuser, aber auch der Vertreter des Islamischen Kulturcenters und die damalige Landesintegrationsbeauftragte an.

Meine Fraktion hat aber bewusst auch den Punkt der »Aufhebung des Friedhofszwanges« in den vorliegenden Antrag aufgenommen. Ein schwieriges Thema und ein dickes Brett. Aus verschiedenen Gründen. Da sind die Friedhofsträger, die mit Friedhöfen schwarze Zahlen schreiben müssen. Da möchte man schon »schwarzen Humor« entwickeln. Dann sind da die Bestatter, die sich Sorgen um ihre Einnahmen machen. Auch die Einwände der Kirchenvertreter hinsichtlich der Möglichkeit einer öffentlichen Trauerkultur sind nicht von der Hand zu weisen. Und man kann sich sicherlich auch schon vorab die schönsten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Hinterbliebenen ausmalen.

Dennoch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lass Sie uns auch darüber ergebnisoffen diskutieren. Das Land Bremen wagte den Versuch. Hier dürfen die Hinterbliebenen die Urne noch zwei Jahre zu Hause aufbewahren, sofern bereits eine Grabstelle vorhanden ist. Wir alle wissen, dass es auch jetzt schon möglich ist, dass Bestattungsgesetz in Sachsen-Anhalt diesbezüglich zu umgehen.

Unser Ziel ist es, das Gesetz der Realität und vor allem den Wünschen von Verstorbenen und Hinterbliebenen anzupassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!